Dies ist ein höchst köstliches Buch, und mit köstlich meine ich nicht, dass man es auf die leichte Schulter nehmen sollte. Tatsächlich wäre "herrlich" ein passenderes Adjektiv, um es zu beschreiben. Es ist nicht nur voller erstaunlicher Anekdoten, sondern auch voller Weisheit. Der Weisheit des Lebens.
Das Buch ist auch insofern bemerkenswert, als es die Erfahrungen eines Jungen mit einem außergewöhnlichen Menschen schildert, dessen Bemerkungen und Beobachtungen der Autor zum damaligen Zeitpunkt nur teilweise verstehen konnte. Er zitiert Gurdjieff häufig wörtlich. Sein Gedächtnis und seine Intuition sind absolut erstaunlich. Man muss bedenken, dass der Junge, als seine Mutter ihn in Gurdjieffs Obhut gab – ins Institut für die Harmonische Entwicklung des Menschen in Fountainbleau – keine Ahnung hatte, wer Gurdjieff war oder was für ein Mensch er war. Er lernte schnell.
Wenn man dieses Buch aufschlägt, ist man augenblicklich verzaubert von der Begegnung zweier sehr unterschiedlicher Menschen. Man erkennt, dass dies keine gewöhnliche Geschichte von Kindheitserinnerungen ist.
Zunächst einmal war Gurdjieff eine durch und durch rätselhafte Figur. Er war ein lebendes Beispiel für das griechische Wort Enantiodromie, das den Prozess bezeichnet, durch den sich etwas in sein Gegenteil verwandelt. Er konnte gleichzeitig zärtlich, wild, streng, nachsichtig, weise, clownesk, absolut ernst und ein Possenreißer sein. Sogar der damals erst elfjährige Autor, der zu Gurdjieffs „Sklaven“ gemacht worden war, wusste manchmal nicht, wie er mit ihm umgehen sollte. Gurdjieff war eine ständige Überraschung.
Doch trotz seines jungen Alters und ohne Vorbereitung auf diese Tortur war der junge Fritz Peters klug genug, um zu erkennen, dass er sich in den Händen eines höchst ungewöhnlichen Menschen befand, eines Mannes, der als Meister, Guru, Lehrer und alles andere als ein Heiliger bezeichnet wurde.
So wie es heißt, dass Jehova Moses sein Hinterteil zeigte, so offenbart uns Peters die sehr realen, sehr menschlichen Aspekte Gurdjieffs.
Es wurde viel über das skandalöse Verhalten von Gurdjieff geschrieben. Und es stimmt, dass er sich wenig um konventionelles Verhalten zu scheren schien. In gewisser Weise war er wie eine Kreuzung zwischen den Gnostikern der alten Zeit und den Dadaisten der neueren Zeit. Sicherlich traf das lateinische Sprichwort „Nichts Menschliches ist unter meiner Würde“ auf ihn zu. Er war durch und durch menschlich. Manchmal erreichte er erhabene Höhen.
Und der Autor, der Gurdjieffs gebrochenes Englisch imitiert, hat uns diese Momente in Gurdjieffs eigener fantastischer Sprache beschert. Dieses gebrochene Englisch hatte häufig einen „satanischen“ Charakter. Wenn Gurdjieff in manchen Momenten den Saum der Schöpfung zu berühren schien, könnte man in anderen Momenten von ihm sagen, dass er ein Abgesandter Satans selbst war, weshalb dieses Buch so überaus unterhaltsam ist.
Es wird sogar diejenigen faszinieren, die noch nie von Gurdjieff gehört haben. Zum einen entlarvt dieses Buch alle verrückten Legenden über Meister und Teufel. Es ist informativ, ohne jemals langweilig zu sein. Es macht Kapriolen, ohne schäbig zu werden. Es präsentiert uns eine der rätselhaftesten und umstrittensten Figuren unserer Zeit, die den Menschen von heute leider viel zu wenig bekannt ist.
Ich selbst habe das Buch mehrere Male gelesen und jedes Mal mit neuem Interesse. Für mich ist es gewissermaßen auf einer Stufe mit Alice im Wunderland, ein wahrer Schatz unserer Literatur.
Henry Miller
1891-1980
Quelle: Fritz Peters - My Journey with a Mystic
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